Begonnen hatte alles Mitte September in Frankfurt. Einen Monat später trafen sich circa 30 Leader in Hamburg, um über Führung zu diskutieren und wie sie sich verändert, über soziale Verantwortung – und über Glück.
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Ort des Geschehens am 17. Oktober war die Villa Jako in Blankenese. Das denkmalgeschützte Wohnhaus liegt auf einem 12.000 Quadratmeter großen Grundstück am Elbhang und war von Walther Baedeker in den 1920er Jahren errichtet worden. Seine bekannteste Episode begann 1991, als Karl Lagerfeld das Anwesen kaufte. Heute gehört das Gebäude dem Hamburger Musik-Produzenten Michael Haentjes – der gemeinsam mit den Verantwortlichen von Spencer Stuart die rund 30 hochkarätigen Gäste des zweiten Leading Tomorrow-Events begrüßte.
Soziales Engagement bringt viel mehr als ein gutes Gewissen
Im Zentrum des Abends stand die Auseinandersetzung mit der Frage, warum soziales Engagement Führungskräften viel mehr bringt als ein gutes Gewissen – und wie auch ihr Unternehmen davon profitiert.
Den Impulsvortrag hielt Dr. Carla Kriwet, im Laufe einer erfolgreichen Karriere u.a. Managerin und Vorstand bei Drägerwerk, Philips und Fresenius Medical Care und heute Aufsichtsrätin bei Evidia, Merck KGaA und Save the Childern e.V.
Und um diesen Verein, Save the Children, drehte sich auch ihr Vortrag. Für ihn war Kriwet im März 2024 in Afghanistan mit einer Gruppe im Auto unterwegs, als sie einer Frau begegneten, die einen – eigentlich viel zu schweren – Wasserbehälter schleppte. Jeden Tag laufe sie damit eine Stunde zur Wasserstelle und eine wieder zurück, erzählte die Frau auf Nachfrage. Und nein, das sei keine Last für sie, schließlich habe sie anders als viele andere Arbeit und könne etwas für die Menschen in ihrem Dorf tun. „Ich bin vom Glück geküsst“, so bewertete die Afghanin das eigene Los.
Der Job von Führungskräften ist politischer denn je
„Vom Glück geküsst“, so fühlt sich auch Carla Kriwet. „Und es ist nicht das Glück der Tüchtigen, sondern Sperm Lottery Luck. Ich bin im richtigen Land in einer liebevollen Familie zur Welt gekommen, habe eigene gesunde Kinder.“ Bei diesem Glück – das sie mit den übrigen Anwesenden teilt – handele es sich „um einen unverdienten Vorteil, auf dem unser gesamtes Leben aufbaut.“
Aus diesem Vorteil erwachse Verantwortung. Und aus der Tatsache, dass der Job von Führungskräften heute politischer ist denn je. „Früher haben Manager bestimmte Themen bewusst vermieden nach dem Motto: Politik, das ist nicht meine Baustelle. Heute können sie sich nicht mehr raushalten“, so Kriwet. Weil sie auch Entscheidungen treffen müssen, die politische, ja moralische Implikationen haben – man denke nur an ESG-Themen. Und weil sie Mitarbeiter führen, denen „Purpose“ wichtig ist, die sich Ziele jenseits von Umsatz und Gewinn setzen – und das auch von ihrem Arbeitgeber erwarten. „Die Generation Z will Fakten sehen hinter Green Washing und Social Washing“, davon ist Carla Kriwet überzeugt.
Das soziale Engagement von Führungskräften könne ein solcher Fakt sein, (künftige) Mitarbeiter fühlten sich von guten Vorbildern angezogen. Auch Kriwet selbst habe diesen Zusammenhang früher unterschätzt, heute sei er unübersehbar.
Es braucht Leader, die die Sehnsucht nach Sinn verstehen
Nach Ansicht von Andrea Mohnsame, strategische Beraterin bei Spencer Stuart und in Hamburg eine der GastgeberInnen, verändert die Sehnsucht nach Sinn auch ihren Job. „Wir müssen Leader suchen, die den Wunsch nach Purpose nicht nur verstehen, sondern ihm auch etwas abgewinnen können.“
Eigenes soziales Engagement erleichtert dieses Verständnis natürlich. Und dazu braucht es keineswegs einen großen Aufschlag, das war Carla Kriwet in Hamburg wichtig. Jeder könne sich in dem Rahmen und Umfang engagieren, der zu ihm passt, die Möglichkeiten dazu seien Legion.
Viele der Anwesenden nutzen diese bereits, engagieren sich zum Teil seit Jahren – das wurde bei den Gesprächen im Anschluss an den Impulsvortrag schnell deutlich.
Und dass es bei diesen Engagements nicht zwingend um die Vorbildfunktion geht oder um die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Sondern auch um das eigene Glück. So berichtete einer der Gäste, er habe „noch nie so viele spannende Menschen getroffen wie bei meiner Arbeit für die Hamburger Obdachlosenhilfe.“