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Kultur und Führung in Zeiten des Umbruchs: Swen Rehders

Gesprächsreihe mit transruptiven Führungskräften
November 2017

Von Superhelden und kreativem Ungehorsam

Spencer Stuart hat mit Swen Rehders darüber gesprochen, wie er seine Rolle als Geschäftsführer von NTT Data Deutschland GmbH interpretiert und wie moderne Führungsstärke in einem herausfordernden Marktumfeld aussehen kann. Der Wirtschaftsinformatiker mit Zusatzausbildung zum Mediator trägt seit Juni 2015 die Verantwortung für das IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen in Deutschland, Österreich, Rumänien und Dänemark; er verfügt über eine 32-jährige Berufserfahrung in der IT-Branche mit Stationen bei IBM, Siemens, EDS und Atos. Die Zielsetzung, das Wachstum von NTT Data voranzutreiben, hat er erfolgreich mit neuen Akzenten in der Unternehmenskultur kombiniert – dabei setzt er vor allem auf Dialog.

Moderne Führungskräfte müssen mit einem immer herausfordernderen Umfeld zurechtkommen. Braucht es bald Superhelden mit übermenschlichen Fähigkeiten?

Erfolgreich führen heißt doch vor allem, die Menschen zu begeistern und deren Leidenschaft zu entfesseln. Dazu muss man aber nicht Superman sein. Ich glaube, viele Manager machen immer noch den Fehler, mit einer festgelegten, harten Meinung um Positionen zu kämpfen, anstatt mehr nachzufragen: Warum ist etwas so, wie es ist?

Ist bei flachen Hierarchien nicht das Chaos vorprogrammiert?

Ich rufe gern offen zu kreativem Ungehorsam auf. Wenn ich mehr Transparenz und Durchlässigkeit zwischen den Unternehmensbereichen haben möchte, kann ich auch von den Mitarbeitern nicht verlangen sich mit allem abzufinden, was ihre Vorgesetzten ihnen sagen. Ich hole die Meinungen meiner Mitarbeiter ein und höre ihnen zu. Entscheidungen sollten immer transparent sein und breit kommuniziert werden, nicht nur an Führungskräfte. Das gibt dem Mitarbeiter Wertschätzung und damit auch Selbstbewusstsein. So gelingt ein Weg der flachen Hierarchien ohne Chaos – Führung ist über ein klares Ziel und ein Mindestmaß an Prozessen erfolgreich.

Hat die ordre de mufti also ausgedient?

Ich bin kein Machtmensch, der in klassischen Matrixstrukturen denkt. Mein Geheimnis ist ein anderes: Wer die Beschäftigten mitnehmen will auf die Reise, muss ihnen die Idee und den Weg immer wieder erklären. Dabei sollten die Dinge ruhig schnell angegangen werden.

Wenn in einer Firma stark in Hierarchien oder Silostrukturen gedacht wird und Herrschaftswissen eine große Rolle spielt, dann ist etwas elementar falsch gelaufen. Niemand sollte heutzutage noch für sich beanspruchen, alles allein zu wissen.

Wie wird man als Chef dabei für die Mitarbeiter nahbar?

Eine bei unseren Mitarbeitern sehr willkommene Neuerung sind die regelmäßigen After Work Meetings. Hier spreche ich in kleineren, zwanglosen und sehr konstruktiven Runden mit Mitarbeitern. Gemeinsam entwickeln wir dabei neue Perspektiven. Der Austausch mit den Menschen im Unternehmen fördert das gegenseitige Kennenlernen und man erfährt direkt aus Mitarbeitersicht Dinge, die besser laufen könnten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Effizienzsteigerung: Mit der richtigen Mischung aus Überzeugung vermitteln und Begeisterung für das Neue schaffen, konnte ich oft vorhandene Restwiderstände in Unternehmen überwinden, Querschnittsaufgaben verschiedener Bereiche vereinen und ihnen zu einer größeren, gemeinsamen Schlagkraft verhelfen. Dieser Fokus auf das Miteinander hat deutlich mehr bewirkt, als wenn ich mich von Anbeginn nur auf die direkte Optimierung von Zahlen konzentriert hätte.

Läuft die Unternehmenskultur heutzutage der eigentlichen Führung den Rang ab?

Führung ist für mich zu einem großen Teil Kultur. Die wesentlichen Dinge müssen durchdacht, vermittelbar und durchgerechnet sein – neben Empathie und einem gewissen Charisma kommt es auch weiterhin auf klassische CEO-Fähigkeiten an. Ich habe von Anfang an bei NTT DATA klar gesagt: Ich bin hier, um etwas zu verändern. Ich werde dafür arbeiten, dass wir einen höheren Bekanntheitsgrad, ein klares Image bekommen und unsere Kunden besonders machen. Ich werde organisatorisch etwas bewegen und die Zufriedenheit steigern. Ich möchte nicht nur den Glauben daran vermitteln, dass wir im Wettbewerb gegen die Großen antreten und gewinnen können, sondern lebe es vor. Dafür darf ich auch Einsatz, Kreativität und Innovation erwarten.

Steht den hohen Erwartungen nicht allzu oft Bequemlichkeit entgegen?

Wer glaubt, dass die Geschwindigkeit der Marktveränderungen langsamer wird, ist auf dem Holzweg. Auch wir müssen ständig weiter an der Transformation arbeiten – nicht, weil es uns prinzipiell Spaß macht, sondern weil sich die Welt um uns herum so schnell verändert. Das erkläre ich meinen Mitarbeitern immer wieder: Ich bin hier, um euch aus eurer Komfortzone zu schubsen, um den Impuls dafür zu liefern, dass letztlich möglichst alle an den Veränderungen mitarbeiten und dadurch die Zukunft mitgestalten. In unserer Industrie heute etwas in Stein zu meißeln ist vollkommen falsch.

Was für Köpfe braucht es dazu im Management-Team?

Jeder muss seinen Beitrag leisten; fachlich, aber auch innerhalb seines Verantwortungsbereiches dafür sorgen, dass es vorangeht. Ich setze hier stark auf Diversity, welche ich breit interpretiere: Das Management bildet Vielseitigkeit dadurch ab, dass es aus langjährigen und neuen, älteren und jüngeren, weiblichen und männlichen, und international gemischten Mitarbeiterteams besteht – ohne vorgegebene Quote. Gemeinsamer Erfolg braucht keine Quote und Diversity ist kein Selbstzweck – es geht um den Austausch und darum, das Beste hervorzuheben. Ich versuche Positionen nicht für das zu besetzen, was ich heute besetzen muss, sondern was ich in zwei, drei Jahren brauche. Ich selbst versuche in meinem Handeln authentisch zu sein und erwarte das auch von anderen – Leute mit einem eigenen Kopf und einer eigenen Meinung sind mir wichtig. Das versuchen wir auch bei der Talententwicklung abzubilden. Wer nicht in Weiterbildung und das Vorankommen investiert, verliert die Führungskräfte von morgen.

Ist so ein Stilbruch qualitativ messbar?

Wir beobachten die Stimmung im Unternehmen seit zwei Jahren auch über vierteljährliche „Pulse Surveys“. Die Ergebnisse, egal ob positiv oder negativ, bekommen alle im Unternehmen zu sehen. Nachdem ich alle 230 Einzelkommentare des ersten „Pulse Surveys“ gelesen hatte, entschied ich mich sofort das Thema Wertschätzung im Unternehmen anzugehen. Nach der abgeschlossenen Restrukturierungsphase war es wichtig an der Anerkennung der Menschen im Unternehmen zu arbeiten. So haben wir die Koppelung von Gehaltserhöhung und Leistungsbeurteilung getrennt, um die persönliche Wertschätzung eines Mitarbeiters nicht durch das Monetäre zu beeinflussen. Die Mitarbeiterbewertung wurde damit zugunsten einer Dialogkultur abgeschafft; die Feedback-Sessions werden seitdem mit einem dreijährigen Entwicklungsplan kombiniert.

Wertschätzung bildete auch einen inhaltlichen Schwerpunkt in der vor drei Jahren gestarteten Workshop-Reihe „Inspiring Leadership“ für die 160 Führungskräfte. Intensive Veranstaltungen, die zehnmal im Jahr stattfinden. Und die deutliche Verbesserung beim Commitment-Faktor der Mitarbeiter war in den Umfragen offensichtlich und auch im Unternehmen nachhaltig spürbar. Das hat mich richtig stolz und glücklich gemacht. Und das hat sich auch am Arbeitsmarkt herumgesprochen. Es gibt natürlich immer noch weitere Verbesserungspotentiale, aber solch ein Cultural Change in Verbindung mit einer deutlichen Performanceverbesserung von 30 Prozent in einem eigentlich klassischen Setup ist schon selten.

Also zwei Jahre volles Programm. Was steht als nächstes an?

Es wird weiter darum gehen, das Unternehmen intensiv auf Veränderungen vorzubereiten und die Mitarbeiter emotional mitzunehmen. Wir arbeiten an vielen neuen Ideen, um die nötige Commitment-Kultur aufrecht zu erhalten.

Ich verstehe mich als einen Manager, der Zukunft gestalten will – und deshalb denke und gestalte ich immer nach vorn.

NTT DATA ist ein führender Anbieter von Business- und IT-Lösungen und globaler Innovationspartner seiner Kunden. Der japanische Konzern mit Hauptsitz in Tokio ist in über 40 Ländern weltweit vertreten. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Kundenbeziehungen: Dazu kombiniert NTT DATA globale Präsenz mit lokaler Marktkenntnis und bietet erstklassige, professionelle Dienstleistungen von der Beratung und Systementwicklung bis hin zum Outsourcing. Weitere Informationen finden Sie auf www.nttdata.com/de