Von Superhelden und kreativem Ungehorsam
Spencer Stuart hat mit Swen Rehders darüber gesprochen, wie er seine
Rolle als Geschäftsführer von NTT Data Deutschland GmbH interpretiert
und wie moderne Führungsstärke in einem herausfordernden
Marktumfeld aussehen kann. Der Wirtschaftsinformatiker mit
Zusatzausbildung zum Mediator trägt seit Juni 2015 die Verantwortung
für das IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen in
Deutschland, Österreich, Rumänien und Dänemark; er verfügt über
eine 32-jährige Berufserfahrung in der IT-Branche mit Stationen bei
IBM, Siemens, EDS und Atos. Die Zielsetzung, das Wachstum von
NTT Data voranzutreiben, hat er erfolgreich mit neuen Akzenten in der
Unternehmenskultur kombiniert – dabei setzt er vor allem auf Dialog.
Moderne Führungskräfte müssen mit einem immer
herausfordernderen Umfeld zurechtkommen. Braucht es bald
Superhelden mit übermenschlichen Fähigkeiten?
Erfolgreich führen heißt doch vor allem, die Menschen zu begeistern
und deren Leidenschaft zu entfesseln. Dazu muss man aber nicht
Superman sein. Ich glaube, viele Manager machen immer noch den
Fehler, mit einer festgelegten, harten Meinung um Positionen zu
kämpfen, anstatt mehr nachzufragen: Warum ist etwas so, wie es ist?
Ist bei flachen Hierarchien nicht das Chaos vorprogrammiert?
Ich rufe gern offen zu kreativem Ungehorsam auf. Wenn ich mehr
Transparenz und Durchlässigkeit zwischen den
Unternehmensbereichen haben möchte, kann ich auch von den
Mitarbeitern nicht verlangen sich mit allem abzufinden, was ihre
Vorgesetzten ihnen sagen. Ich hole die Meinungen meiner Mitarbeiter
ein und höre ihnen zu. Entscheidungen sollten immer transparent sein
und breit kommuniziert werden, nicht nur an Führungskräfte. Das gibt
dem Mitarbeiter Wertschätzung und damit auch Selbstbewusstsein. So
gelingt ein Weg der flachen Hierarchien ohne Chaos – Führung ist über
ein klares Ziel und ein Mindestmaß an Prozessen erfolgreich.
Hat die ordre de mufti also ausgedient?
Ich bin kein Machtmensch, der in klassischen
Matrixstrukturen denkt. Mein Geheimnis ist ein anderes:
Wer die Beschäftigten mitnehmen will auf die
Reise, muss ihnen die Idee und den Weg immer wieder
erklären. Dabei sollten die Dinge ruhig schnell angegangen
werden.
Wenn in einer Firma stark in Hierarchien oder
Silostrukturen gedacht wird und Herrschaftswissen eine
große Rolle spielt, dann ist etwas elementar falsch
gelaufen. Niemand sollte heutzutage noch für sich
beanspruchen, alles allein zu wissen.
Wie wird man als Chef dabei für die Mitarbeiter nahbar?
Eine bei unseren Mitarbeitern sehr willkommene
Neuerung sind die regelmäßigen After Work Meetings.
Hier spreche ich in kleineren, zwanglosen und sehr
konstruktiven Runden mit Mitarbeitern. Gemeinsam
entwickeln wir dabei neue Perspektiven. Der Austausch
mit den Menschen im Unternehmen fördert das gegenseitige
Kennenlernen und man erfährt direkt aus
Mitarbeitersicht Dinge, die besser laufen könnten. Das
ist eine wichtige Voraussetzung für Effizienzsteigerung:
Mit der richtigen Mischung aus Überzeugung vermitteln
und Begeisterung für das Neue schaffen, konnte ich oft
vorhandene Restwiderstände in Unternehmen überwinden,
Querschnittsaufgaben verschiedener Bereiche
vereinen und ihnen zu einer größeren, gemeinsamen
Schlagkraft verhelfen. Dieser Fokus auf das Miteinander
hat deutlich mehr bewirkt, als wenn ich mich von
Anbeginn nur auf die direkte Optimierung von Zahlen
konzentriert hätte.
Läuft die Unternehmenskultur heutzutage der
eigentlichen Führung den Rang ab?
Führung ist für mich zu einem großen Teil Kultur.
Die wesentlichen Dinge müssen durchdacht,
vermittelbar und durchgerechnet sein – neben
Empathie und einem gewissen Charisma kommt es
auch weiterhin auf klassische CEO-Fähigkeiten an. Ich
habe von Anfang an bei NTT DATA klar gesagt: Ich bin
hier, um etwas zu verändern. Ich werde dafür arbeiten,
dass wir einen höheren Bekanntheitsgrad, ein klares
Image bekommen und unsere Kunden besonders
machen. Ich werde organisatorisch etwas bewegen und
die Zufriedenheit steigern. Ich möchte nicht nur den
Glauben daran vermitteln, dass wir im Wettbewerb
gegen die Großen antreten und gewinnen können,
sondern lebe es vor. Dafür darf ich auch Einsatz,
Kreativität und Innovation erwarten.
Steht den hohen Erwartungen nicht allzu oft
Bequemlichkeit entgegen?
Wer glaubt, dass die Geschwindigkeit der
Marktveränderungen langsamer wird, ist auf dem
Holzweg. Auch wir müssen ständig weiter an der
Transformation arbeiten – nicht, weil es uns prinzipiell
Spaß macht, sondern weil sich die Welt um uns herum
so schnell verändert. Das erkläre ich meinen
Mitarbeitern immer wieder: Ich bin hier, um euch aus
eurer Komfortzone zu schubsen, um den Impuls dafür
zu liefern, dass letztlich möglichst alle an den
Veränderungen mitarbeiten und dadurch die Zukunft
mitgestalten. In unserer Industrie heute etwas in Stein
zu meißeln ist vollkommen falsch.
Was für Köpfe braucht es dazu im
Management-Team?
Jeder muss seinen Beitrag leisten; fachlich, aber
auch innerhalb seines Verantwortungsbereiches dafür
sorgen, dass es vorangeht. Ich setze hier stark auf
Diversity, welche ich breit interpretiere: Das
Management bildet Vielseitigkeit dadurch ab, dass
es aus langjährigen und neuen, älteren und jüngeren,
weiblichen und männlichen, und international
gemischten Mitarbeiterteams besteht – ohne
vorgegebene Quote. Gemeinsamer Erfolg braucht
keine Quote und Diversity ist kein Selbstzweck – es
geht um den Austausch und darum, das Beste
hervorzuheben. Ich versuche Positionen nicht für das
zu besetzen, was ich heute besetzen muss, sondern
was ich in zwei, drei Jahren brauche. Ich selbst
versuche in meinem Handeln authentisch zu sein und
erwarte das auch von anderen – Leute mit einem
eigenen Kopf und einer eigenen Meinung sind mir
wichtig. Das versuchen wir auch bei der
Talententwicklung abzubilden. Wer nicht in
Weiterbildung und das Vorankommen investiert,
verliert die Führungskräfte von morgen.
Ist so ein Stilbruch qualitativ messbar?
Wir beobachten die Stimmung im Unternehmen seit
zwei Jahren auch über vierteljährliche „Pulse Surveys“.
Die Ergebnisse, egal ob positiv oder negativ, bekommen
alle im Unternehmen zu sehen. Nachdem ich alle
230 Einzelkommentare des ersten „Pulse Surveys“
gelesen hatte, entschied ich mich sofort das Thema
Wertschätzung im Unternehmen anzugehen. Nach der
abgeschlossenen Restrukturierungsphase war es
wichtig an der Anerkennung der Menschen im
Unternehmen zu arbeiten. So haben wir die Koppelung
von Gehaltserhöhung und Leistungsbeurteilung
getrennt, um die persönliche Wertschätzung eines
Mitarbeiters nicht durch das Monetäre zu beeinflussen.
Die Mitarbeiterbewertung wurde damit zugunsten
einer Dialogkultur abgeschafft; die Feedback-Sessions
werden seitdem mit einem dreijährigen
Entwicklungsplan kombiniert.
Wertschätzung bildete auch einen inhaltlichen
Schwerpunkt in der vor drei Jahren gestarteten
Workshop-Reihe „Inspiring Leadership“ für die 160
Führungskräfte. Intensive Veranstaltungen, die zehnmal
im Jahr stattfinden. Und die deutliche Verbesserung
beim Commitment-Faktor der Mitarbeiter war in den
Umfragen offensichtlich und auch im Unternehmen
nachhaltig spürbar. Das hat mich richtig stolz und
glücklich gemacht. Und das hat sich auch am
Arbeitsmarkt herumgesprochen. Es gibt natürlich immer
noch weitere Verbesserungspotentiale, aber solch ein
Cultural Change in Verbindung mit einer deutlichen
Performanceverbesserung von 30 Prozent in einem
eigentlich klassischen Setup ist schon selten.
Also zwei Jahre volles Programm. Was steht als
nächstes an?
Es wird weiter darum gehen, das Unternehmen
intensiv auf Veränderungen vorzubereiten und die
Mitarbeiter emotional mitzunehmen. Wir arbeiten
an vielen neuen Ideen, um die nötige
Commitment-Kultur aufrecht zu erhalten.
Ich verstehe mich als einen Manager, der Zukunft
gestalten will – und deshalb denke und gestalte ich
immer nach vorn.
NTT DATA ist ein führender Anbieter
von Business- und IT-Lösungen und
globaler Innovationspartner seiner
Kunden. Der japanische Konzern mit
Hauptsitz in Tokio ist in über 40
Ländern weltweit vertreten. Der
Schwerpunkt liegt auf langfristigen
Kundenbeziehungen: Dazu kombiniert
NTT DATA globale Präsenz mit
lokaler Marktkenntnis und bietet
erstklassige, professionelle
Dienstleistungen von der Beratung
und Systementwicklung bis hin zum
Outsourcing. Weitere Informationen
finden Sie auf www.nttdata.com/de