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Künstliche Intelligenz als Innovationsmotor – Wie aus Technologie ein
Geschäftsmodell wird

Künstliche Intelligenz als Innovationsmotor – Wie aus Technologie ein Geschäftsmodell wird

December 2024

„Innovationskraft erhöhen – Gamechanger KI und andere Wachstumstreiber“, so lautete der Titel des dritten, hochkarätig besetzten Spencer Stuart-Events der Leading Tomorrow-Reihe im Salon des Kunst und Haltung e.V. in Düsseldorf. Eingeladen hatten Dr. Simone Siebeke, Lars Gollenia und York von Wangenheim als Repräsentanten von Spencer Stuart Deutschland.

Die vier Podiumsteilnehmer sollten darüber diskutieren, welche Herausforderungen und Chancen Künstliche Intelligenz für deutsche Unternehmen bereithält – und wie sich Innovationskraft insgesamt heute stärken lässt. Moderiert wurde das Event von Christian Till Roga, Berater in Spencer Stuarts Technology, Media & Telecommunications Practice.

Am Ende leistete die Veranstaltung viel mehr, als nur die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen, bot den circa 30 Gästen unzählige wertvolle Insights – und rund um die Podiumsdiskussion natürlich auch wieder beste Gelegenheiten zu Austausch und Vernetzung.

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Die Auswahl der Referenten hätte passgenauer nicht sein können, um die skizzierten Aspekte zu beleuchten. Edith Wittmann ist als Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland für das Geschäft mit den mehr als 30.000 Partnern des Unternehmens verantwortlich, Dr. Thomas Hansmann CTO und Teil der Geschäftsführung der SMS-Group, einer international agierenden Unternehmensgruppe im Maschinen- und Anlagenbau für die Stahl- und Metallindustrie. Ramin Mirza fungiert als Chief Customer Officer bei Aleph Alpha, einem deutschen Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, und Prof. Dr. Holger Ernst schließlich forscht an der WHU – Otto Beisheim School of Management – zum Thema Innovation.

Die Diskussion beantwortete drei zentrale Fragen

Künstliche Intelligenz ist aktuell DER Innovationstreiber – auch weil sie die dazu notwendigen Prozesse grundlegend verändert. Warum das so ist und wie es geschieht, das war das erste Learning aus der Veranstaltung. Zweite Erkenntnis: Innovation – egal, ob KI-basiert oder nicht – ist nur möglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, jene Voraussetzungen, die sie erst möglich machen. Welche das sind und wie Unternehmen in Zeiten wie diesen das Thema angehen sollten, auch dazu konnten die Gäste viel mitnehmen.

Dabei räumte das Event – quasi nebenbei – auch mit Klischeevorstellungen auf, etwa dem Glauben, dass Technologie alleine Wunder vollbringt, dass sie die vielen Umbrüche, die aktuell anstehen, ohne uns, ohne die Menschen und ihr Zutun bewältigen kann. Warum das Gegenteil richtig ist, das war das dritte Learning des Abends.

Duft- und Geschmacksstoffentwickler Symrise setzt auf KI bei Kombination von Inhaltsstoffen

„Unternehmen erleben eine Art Intelligenzrevolution“, so beschrieb Edith Wittmann, Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland, in ihrem Eingangsstatement die aktuelle technologische Entwicklung. „Maschinen sind in der Lage, uns Menschen zu verstehen, das ist das wirklich Neue. Wir müssen ein Problem nur noch beschreiben, und KI findet die Lösung.“

Und Künstliche Intelligenz versteht nicht nur unsere Anweisungen, sie versteht und verarbeitet vor allem auch Daten viel schneller und umfänglicher als Menschen dies jemals könnten. Innovationsprozesse verändern sich dadurch grundlegend – mit zum Teil radikalen Folgen. Prof. Holger Ernst von der WHU nannte als Beispiel die Entwicklung von Arzneimitteln. Novartis hat zusammen mit Microsoft das AI Innovation Lab für die Medikamenten- und Therapieentwicklung gegründet. Aktuell arbeiten die Partner hier an einem KI-getriebenen System zur Diagnose von Lepra: Menschen können ihre Haut fotografieren, das Bild in eine Cloud hochladen und sich so von Hautärzten irgendwo auf der Welt mithilfe von KI eine Diagnose erstellen lassen. Hilfreich oder sogar lebensrettend kann diese Technik vor allem für Patienten aus entlegenen Gegenden der Erde sein.

Als zweites Beispiel dafür, welche Möglichkeiten Künstliche Intelligenz Unternehmen heute bietet, nannte Holger Ernst die Firma Symrise. Der Anbieter von Duft- und Geschmackstoffen sowie kosmetischen Vorprodukten nutzt KI, um vorherzusagen, welche Kombination von Inhaltsstoffen zu den besten Ergebnissen führt.

Hilfreich sind KI-Lösungen nur dann, wenn sie Teil einer Produktivumgebung sind

Bis zu solchen Lösungen ist es ein weiter Weg – Aleph Alpha ebnet und strukturiert ihn. Das 2019 gegründete Unternehmen aus Heidelberg entwickelt mit circa 200 Mitarbeitern KI-Lösungen für Unternehmen und Verwaltungen. Aktuelle Produkte sind das Sprachmodell Pharia-1-LLM und – vor allem – PhariaAI, ein Full-Stack Betriebssystem für generative KI-Anwendungen für Kunden sowohl im Verwaltungs- als auch Unternehmensbereich.

„Künstliche Intelligenz ist nur dann wirklich hilfreich, wenn der Transfer entsprechender Lösungen aus dem Laborumfeld in eine Produktivumgebung gelingt“, so Ramin Mirza, Chief Customer Officer bei Aleph Alpha, auf dem Podium in Düsseldorf. „Unser Betriebssystem gibt Verwaltungen und Unternehmen die Tools an die Hand, die sie für diesen Weg brauchen.“

In der Regel seien alle Elemente, die für einen KI-Usecase notwendig sind, bereits vorhanden – nur eben in stark fragmentierter Form. PhariaAI, Aleph Alphas Betriebssystem, führe sie auf einer zentralen Plattform zusammen – damit aus Technologie ein Geschäftsmodell werden kann.

Der Einsatz von KI ist immer auch ein Governance-Thema

Wobei sich Aleph Alpha auf die Technologie fokussiert und nicht auf eine Unternehmensberatung. „Wir sind kein Beratungshaus“, betonte Ramin Mirza in Düsseldorf – um den Gästen dann doch einen Rat mit auf den Weg zu geben. Unternehmen sollten sich immer zuerst die Frage stellen, was genau sie erreichen wollen und welche Rolle die Souveränität spielt. „Geht es darum, Prozesse zu verbessern? Das Geschäftsmodell zu verändern? Und wenn ja, wie? KI ist keineswegs immer die einzig mögliche Antwort auf diese Fragen.“

Hinzu komme, dass ihr Einsatz immer auch ein Governance-Thema sei. „Nicht jede Unternehmenskultur ist bereits kompatibel dafür. Künstliche Intelligenz ist in der Lage, die Zusammenarbeit und die Mensch-Maschine Interaktion nachhaltig zu verändern“, so Mirza. „Ihre Nutzung wird dann zum Erfolg, wenn auch die Menschen mitgenommen werden auf dieser Reise.“

Und dieser Satz gilt nicht nur für den Einsatz von KI, sondern für Innovationsprozesse insgesamt. Um sie ging es schließlich in Düsseldorf – und um ihr Gelingen, auch diesseits von Künstlicher Intelligenz. Dabei stellte sich auch die Frage, wie man Gelingen definiert. Nach Ansicht des Innovationsforschers Holger Ernst verdienen nur jene Innovationen diese Bezeichnung, mit denen ihre Initiatoren am Ende auch Geld verdienen. In diesem Sinne, so Ernst, war der A380 keine Innovation, weil er Airbus hohe Verluste bescherte, das iPhone dagegen schon.

Der Weg zur grünen Industrieproduktion wird kein leichter sein

Natürlich lässt sich Erfolg oder Misserfolg niemals sicher vorhersagen. Zum Innovieren gehört immer auch Riskieren, betonte Dr. Thomas Hansmann. Er vertrat in Düsseldorf als CTO und Teil der Geschäftsführung die SMS-Group, eine Maschinen- und Anlagenbaufirma für die Stahl- und Elektroindustrie mit mehr als 14.000 Mitarbeitern in über 50 Ländern.

Risikobereitschaft braucht das Unternehmen auch und vor allem für das größte Projekt seiner gut 150-jährigen Geschichte. Anfang 2023 hatte SMS verkündet, man werde für thyssenkrupp Steel in Duisburg eine sogenannte Direktreduktionsanlage bauen. In ihr soll ab 2027 Roheisen nicht mehr mit Kohle und Koks gewonnen werden, sondern anfangs mithilfe von Erdgas und später mit klimafreundlich erzeugtem Wasserstoff – so der Plan. Wert des Auftrags: 1,8 Milliarden Euro, insgesamt kostet das Projekt drei Milliarden.

Die Anlage in Duisburg soll jährlich 3,5 Millionen Tonnen CO² weniger ausstoßen als ein konventioneller Hochofen, die Gesamtemission des klimaschädlichen Treibhausgases durch die deutsche Stahlindustrie sänken um circa sieben Prozent.

Weniger CO² durch den Einsatz von Wasserstoff, das ist die wohl spannendste Wette auf eine klimafreundliche Zukunft – und zugleich eine der unsichersten. Aktuell ist unklar, ob thyssenkrupp seine Pläne für den klimafreundlichen Umbau der Stahlproduktion tatsächlich im geplanten Umfang durchziehen wird. Anfang Oktober 2024 verkündete das Unternehmen, bei dem beschriebenen Großprojekt in Duisburg gebe es „unerwartete Kostensteigerungen“. Auf Basis dieser Informationen werde „die Situation derzeit bewertet.“ Und die WirtschaftsWoche widmete dem Thema Wasserstoff – ebenfalls im Oktober – ihre Titelgeschichte. Der Weg zur grünen Industrieproduktion wird kein leichter sein – so die Quintessenz der Story.

Mitarbeiter sollten mit Begeisterung von ihrem Job erzählen

Unstrittig ist, dass es in der Stahlindustrie wegen der CO²-Besteuerung Existenzängste gibt – und dass die Branche einen Transformationsprozess braucht. „Wir als Analagenbauer müssen uns um diesen Transformationsprozess kümmern, ihn begleiten,“ betont Thomas Hansmann in Düsseldorf Und dazu brauche es – auch – eine Innovationskultur. Die Frage laute, „wie es uns gelingt, die Kreativität aller Beteiligten maximal zu nutzen, agile Strukturen zu schaffen, die auch Freiräume zulassen. Nur wenn es die gibt, bekomme ich Mitarbeiter, die mit Begeisterung von ihrem Job erzählen – zum Beispiel abends oder am Wochenende.“ Solche Strukturen entstünden dann, wenn Unternehmen in der Lage seien, alte Zöpfe abzuschneiden, bekannte der SMS-Manager.

Viele Innovationen entstehen überhaupt erst durch Kooperationen

Was Innovation noch unabdingbar braucht, ist Partnerschaft, Kooperation. Belege dafür lieferten in Düsseldorf nicht nur Thomas Hansmann und die von seinem Unternehmen begleiteten Transformationsprozesse – sondern alle an der Diskussion Beteiligten. Und für Microsoft sind Partnerschaften notwendiger Bestandteil des Geschäftsmodells, ja eine Art Lebenselixier. „Kooperationen sind für uns gerade beim Thema KI wichtiger denn je, Microsoft begleitet die Adaption vieler KI-Projekte und den Wandel, den sie auslösen. Viele Innovationen entstehen überhaupt erst durch eine solche Zusammenarbeit,“ so Edith Wittmann, die als Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland für das Geschäft mit den mehr als 30.000 Partnern des Unternehmens verantwortlich ist. Ein Beispiel für solches Miteinander – zwischen Microsoft und Novartis – hatte schon WHU-Professor Holger Ernst genannt, Edith Wittmann berichtete in Düsseldorf von einer weiteren, sehr aktuellen Kooperation: Die DATEV eG, genossenschaftlich organisiertes Softwarehaus und IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, entwickelt mit Unterstützung von Microsoft den „Einspruchsgenerator“, eine KI-gestützte Software, mit deren Hilfe Unternehmen schon im Vorhinein Hinweise auf mögliche Einsprüche des Finanzamts gegen ihre Steuererklärung bekommen und entsprechend reagieren können.

Unternehmen müssten die „real Customer Pain Points“ kennen

Der Nutzwert hinter dieser Anwendung ist unschwer erkennbar, ein Punkt, an dem es nach Ansicht von Professor Holger Ernst oft mangelt. „Vielem, was als Innovation daherkommt, fehlt der Business-Case. Oft wissen die Beteiligten gar nicht, was ihnen die diskutierten Ideen genau nützen sollen.“ Es brauche Menschen, die Einfälle mit Geschäftsmodellen verknüpfen können – und die die zentrale Rolle von Partnerschaften erkennen.

Nach Ansicht von Ernst fehlt es in Deutschland vor allem an echten, radikalen Innovationen, das zeigten aktuell zum Beispiel die Probleme der Automobilindustrie. Innovationsleader seien grundsätzlich erfolgreicher als -follower.

Auch Intelligenzrevolutionen funktionieren nur gemeinsam

Stellt sich natürlich die Frage nach dem Erfolgsrezept. Wodurch zeichnet sich ein Innovationsleader aus? Nach Ansicht von Holger Ernst braucht es dazu – neben anderem – erstens eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur, zweitens die maximale Unterstützung des Managements und drittens eine konsequente Orientierung am Markt und am Kunden. Unternehmen müssten die „real Customer Pain Points“ kennen.

Zum Entstehen einer innovationsfreundlichen Kultur – Erfolgsfaktor eins – können alle Mitarbeiter ihren Beitrag leisten, davon ist auch Microsoft-Managerin Edith Wittmann überzeugt. Damit das gelingt, müssten sie sich vor allem drei Fragen beantworten. Erstens: Was kann ich zur Innovation und ihrem Erfolg beitragen? Zweitens: Wie helfe ich den Kollegen dabei? Drittens: Was kann ich von ihnen lernen?

Revolutionen sind eben nur dann erfolgreich, wenn die Zusammenarbeit Vieler gelingt. Dieser Grundsatz gilt auch – und erst recht – für Intelligenzrevolutionen.